Carretera Austral
- Anna Sibel
- 28. März 2023
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Apr. 2023
Auf der chilenischen Seite von El Chaltén nach Bariloche
Genaue Routenplanung ist nicht wirklich unser Ding. Grob wissen wir aber dann meistens doch wo wir hin wollen. Ziel ist Bariloche - welchen Weg wir dorthin nehmen, gilt es noch zu entscheiden. Nach den Erlebnissen in El Chaltén hat sich auch der Wunsch verfestigt, dass wir mal wieder ein richtiges Dach überm Kopf brauchen.
Eines der vielen aber mit unter wichtigsten Talente von Hannes ist es, schöne Unterkünfte und Restaurants zu entdecken. Nach einiger Recherche findet er ein schönes Häuschen in der Nähe von Futaleufu - ein kleiner Ort etwas abseits der Carretera Austral. Diese liegt in Chile und wurde so wie auch die Straße zum Lago Fagnano von Pinochet iniziiert, welcher das gesamte Land in seiner Längsachse verbinden wollte. Bis vor nicht allzulanger Zeit war diese Region Chiles nur mit dem Boot oder Flugzeug erreichbar. Die Straße liegt dementsprechend spektakulär und bahnt sich ihren Weg über Gebirgspässe und Fjorde, teilweise ist man auch auf Autofähren angewiesen. Dass es hier eine Straße gibt, ist also absoluter Luxus, daher beschweren wir uns auch nicht, dass ca. die Hälfte davon nicht asphaltiert ist.
Parque Nacional de Patagonia

Wie ihr euch vielleicht errinnern könnt, kämpfen wir uns Anfangs durch einen Sandsturm - dieser legt sich zwar bald, aber trotzdem fahren wir, bis es dunkel ist, nur durch wüstenähnliche Landschaft. Am nächsten Tag ändert sich das aber von Kilometer zu Kilometer und die abenteuerliche Straße führt uns in eine grüne, wunderschöne Berglandschaft.
Aber nicht nur die besonders schöne Passstraße ist ein Erlebnis. An der Grenze steht nur ein kleines Häuschen aus Holz, außer dem Wind hört man nichts. Betreten klopfen wir an der Holztüre und eine Stimme bittet uns herein. Sympatisch lächelt der Grenzpolizist und bittet uns Platz zu nehmen. Irgendwie ganz konträr zu den Schlangen in die man sich sonst stellen und von Fenster Nr. 1 bis Nr. 3 durcharbeiten muss. Ich frage ihn, wie es für ihn ist, hier zu arbeiten und wie oft er nach Hause kommt bzw. wie weit sein Weg in die Arbeit ist. Er erklärt mir, dass er einen Monat hier ganz alleine an dieser Grenze lebt, bis ihn ein Kollege ablöst. Dann kann er für 3 Monate bei seiner Familie sein und von dort arbeiten, bis die Pflicht wieder ruft. Ich glaube er sieht mir an, dass ich die Vorstellung, einen Monat einsam an einem Grenzposten zu arbeiten, ganz schlimm finde. Daraufhin zuckt er mit den Achseln und sagt: " Das ist Teil der Verpflichtung, welche ich eingegangen bin." - Scheint so als würde er es auch nicht so toll finden.
Nach 7 Stunden Fahrt kommen wir endlich in Rio Tranquilo an - 200km haben wir nur geschafft. Die holprige Fahrt hat sich gelohnt, wir buchen uns für den nächsten Morgen bei einer Kayaktour zu den Marmor Höhlen im Lago General Carrera, dem zweitgrößten See Südamerikas, ein. Die Dame von dem Kayakbüro gibt uns den Tipp, dass am Abend das jährliche Dorffest und somit absolutes Highlight in Rio Tranquilo, stattfindet. Ich hätte dieses Event gerne ausgelassen, aber Hannes will sich dieses Happening nicht entgehen lassen:
Wie sich vermuten lässt, sind es aber nicht die berühmten Volksfeste, welche Touristen nach Rio Tranquilo ziehen, sondern die wunderschönen Cuevas de Marmol. Um 7 Uhr morgens werden wir von unserer Kayak Führerin vom Campingplatz abgeholt. Mit dem Sonnenaufgang paddeln wir den Höhlen im Tandem Kayak entgegen. Wie schön diese Formationen, welche man nur über das Wasser erreichen kann, sind, können Bilder besser erfassen als Worte.
Nach diesem besonders schönen Ausflug treten wir unsere Weiterreise an. Leider soll das Wetter die nächsten Tage nicht so schön werden und unsere urspünglichen Pläne fallen wortwörtlich ins Wasser. Bis aber die Hütte in Futaleufu für uns bereit ist, müssen wir noch 2 Nächte entlang der Strecke einplanen und so entschließen wir uns zu einem Campingplatz, welchen uns ein Freund von Hannes empfohlen hat, zu fahren.
Zu zweit Allein
Der Campingplatz stellt sich als eine wahre Perle heraus. Ein Bauernhof mit Zugang zu einem kleinen Bach und noch dazu sind wir ganz alleine. Wir bauen unser Camp auf und gerade als wir fertig damit sind, fängt ein ziemlich wildes Gewitter an. Ich bin etwas beunruhigt, weil die Straße in dieses Seitental ziemlich wild und matschig war, an einer Stelle hing sogar ein Auto am Abgrund, aber am nächsten morgen strahlt uns die Sonne entgegen und die Sorgen sind damit auch vergessen.

Hannes packt seine Angel aus und wir machen uns wieder einmal auf den Weg um Fische zu fangen. Nach kurzem Herumklettern kommen wir zu einer guten Stelle. Wie immer berät uns July, Hannes Freund und Anglerexperte bei der Suche nach fängigen Gebieten und Hannes fängt innerhalb kürzester Zeit 2 Fische. Blöd für mich, weil immer die Person den Fisch erschlagen muss, die nicht die Angel hält.
Find ich richtig toll...
Das Abendessen ist auf jeden Fall gesichert und so macht sich Hannes an ein neues Projekt, welches er eigentlich schon in Feuerland umsetzen wollte - eine Schwitzhütte bauen.
Wie er es machen will hat er sich schon überlegt. Das Außenzelt von meinem Salewazelt soll die Hütte sein, dann muss man einige große Steine in einem Feuer erhitzen. Diese Steine muss man dann irgendwie ins Zelt bekommen und dann mit einem Sud übergießen.
Das Endergebnis könnt ihr hier bewundern:
Danach gabs dann natürlich auch noch die Forellen zum Abendessen.
Die zwei Nächte sind also wie im Flug vergangen und als wir die Reise nach Futaleufu antreten, waren wir schon fast ein bisschen traurig. Das Unwetter von letzter Nacht hat auch tatsächlich einen Baum auf die Straße geworfen, aber zum Glück konnten wir ihn umfahren. Meinen ursprünglichen Vorschlag, dass wir ihn einfach gemeinsam wegziehen brachte Hannes zum Lachen...wahrscheinlich weiß er einfach nicht, wie unglaublich stark ich bin.
Dahin wo der Pfeffer wächst
Nun bahnen wir uns unseren Weg über eine sich windende Gebirsstraße nach Futaleufu. Mittlerweile Regnet es wieder stark und von allen Seiten sieht man hunderte von kleinen Wasserfällen, welche die steilen Berghänge hinabstürzen. Ein richtiges Naturspektakel, die Straße findet das allerdings nicht so toll, an der linken Seite hat sich ein reißender Bach gebildet und einen Teil der Straße abgerissen. So kommt es, dass wir 2 Stunden warten, bis der geschickte Baggerfahrer soweit Schadensbegrenzung betreiben hat, damit die Straße wieder mit dem Auto befahrbar ist. Aber gut - wir haben ja Zeit.

Der restliche Weg ist nicht mehr schlecht, trotzem schaffen wir es aber nicht bis nach Futaleufu und beschließen unser Nachtlager am Lago Yelcho aufzuschlagen. Mittlerweile haben sich die Wolken verzogen, der Vollmond schimmert im See, es ist richtig schön hier.
Wäre da nicht die Pefferspray Aktion. Für alle die den Film Hinterholz 8 kennen, wir haben eine Idee für eine Fortsetzung, diese würde TS-AH140 heißen .
Wie die meisten wissen, ist uns schon einiges passiert mit dem Auto. Stecken bleiben in der Wüste, ein Bett, das sich in seine Einzelteile zerlegt, das Slide Out, welches sich mitten unter der Fahrt ausfährt etc. Trotzdem war die explodierte Pfefferspraydose unser Highlight.
Aber gut von Anfang an...
...unser Auto hat, ein ausfahrbares Bett. In der Wand zwischen ausfahrbarem Teil und Karroserie gibt es einige Staufächer, wo wir unteranderem einen Pfefferspray für Selbstverteidigungszwecke gelagert haben. Durch die ruckelige Straße ist eben dieser aus dem Fach gefallen und durch den Druck beim herausziehen des Slide Outs explodiert.
Anfangs waren wir nicht sicher was es ist, aber als ich hustend und mit Tränen in den Augen aus dem Auto kam war uns beiden klar, was passiert sein muss. Mit FFP2 Maske und Sonnenbrille bewaffnet, gehe ich zurück ins Auto und schaffe es nach 15 Minuten mit Hannes Hilfe von der Kofferraumseite die Dose aus dem Zwischenraum zu entfernen. Dabei tropft natürlich jede Menge von der Flüssigkeit auf unsere Hände und ins Auto. Irgendwie brennt auch unser Gesicht und Hannes begeht einen fatalen Fehler. Er wäscht sich in der Verzweiflung sein Gesicht. Sein lauter Schrei zerreist die Nacht. Die Szenerie - Hannes schreiend, der Mond und der schöne See - ich weiß nicht ob es zum Weinen oder Lachen ist. Später als wir im Bett liegen, müssen wir aber doch recht viel lachen.
Futaleufu

Die Sonne strahlt, es ist keine Wolke am Himmel. Endlich ist es mal so richtig warm, sowas hatten wir schon lange nicht mehr. Da ist es schon fast Hohn, dass genau die Stellen, wo der Pfefferspray hingetropft ist, wie Feuer auf der Haut brennen, sobald die Sonne drauf scheint. Erst 3 Tage später werden wir von dieser Freude des Lebens erlöst. Zwei Straßenhunde haben sich auch schon an unserem schönen Pfeffersprayplätzchen eingefunden. In Ermangelung von Alternativen koche ihn ihnen Nudeln, die beiden schauen ganz schön mager aus.
Wir fahren die letzten 30 Minuten der Strecke nach Futaleufu und Hannes nimmt 2 Autostopper mit, weil er eine der beiden schon von der Baggerstraße kennt. Sie erklären uns, dass sie beide aus Barcelona sind uns sich entlang der Strecke zum zweiten Mal durch Zufall getroffen haben. Nach kurzer Fahrt nimmt Hannes noch einen 3. Autostopper mit, auch ihn kennt er von der Baggerstraße. Dieser kennt durch Zufall wiederum die anderen beiden, irgendwie lustig - diese Autostopperwelt ist anscheinend recht klein.
Weil das Wetter so schön ist beschließen wir noch am selben Tag eine Raftingtour zu machen. Futaleufu ist ein richtiges Rafting- und Kayakmekka, davon müssen wir uns natürlich selber überzeugen. Weil der Wasserstand so hoch ist durch den vielen Regen, heißt es, dass wir nur einen abgekürzten Teil der Tour machen können, doch überzeugt von unserer Performance im Boot entscheidet sich unser Raftingguide um und sagt, dass wir als einziges Boot weiterfahren dürfen. Dabei werden wir von 2 Rettungsbooten und 2 Rettungskayaks begleitet, damit diese uns sofort helfen können, sollte jemand in reißenden Fluss fallen. Zuerst kommt mir diese Menge an Rettungsbooten überzogen vor. Aber als die Stromschnellen uns alle bis auf den Guide aus dem Boot werfen, wird mir schnell klar, warum nicht geplante Ausstiege aus dem Boot, so ernst behandelt werden.
Eine Stromschnelle jagd die andere und es dauert mehrere Minuten bis ich es als Letzte schaffe zurück zum Boot zu schwimmen. Weil ich es nicht schaffe mich ins Boot zurück zu ziehen und ich mich nur an einer Leine halten kann, damit ich nicht wieder mit dem Wasser mit gerissen werde, hält mich einer der Iren, welcher schon im Boot ist fest, bis der Guide kommt. Auch ihm fehlt die Kraft, um mich aus dem Wasser zu ziehen. Danach ist das eine abenteuerliche Geschichte, aber währenddessen hatten wir ziemlich viel Angst.

Die nächsten Tage lassen wir dafür ruhiger angehen. Meistens knistert ein Feuer im Ofen. Hannes nutzt die Gelegenheit und lüftet unser Pfefferspraybett aus und ich liege eigentlich nur vor dem Ofen rum, schau ins Feuer und sortiere Fotos. Bei diesen Umständen ist sogar der Regen draußen richtig schön.
Wer nach dem vielen Lesen noch nicht genug hat, oder noch was zum Anschauen braucht kommt hier in die Bildergalerie:
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