5 Tage in der Wildnis
- michael stelter
- 11. Jan. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Feb. 2023
Von Ushuaia zum Lago Fagnano und Caleta Maria

Die letzte Woche mit unserem Besuch Matthias bricht an und Hannes ist endlich aus der Antarktis zurück. Zu dritt machen wir uns auf den Weg Richtung Lago Fagnano. Dabei wollen wir zum ersten Mal im Leben angeln gehen.

Bei der Planung tut sich schon ein erstes Problem auf - Die Grenze, zu welcher wir wollten, ist gesperrt. Daher müssen wir einen weiten Umweg über San Sebastian fahren. Aber was sind schon 7h Fahrt für Leute, die erst über 4.000km in 2,5 Wochen zurückgelegt haben? Also starten wir am 08.02. mit einigem Proviant los, in der Hoffnung, dass wir viele Fische fangen werden, sonst gibts nämlich nur Fertigsuppe und Nudeln.
Lago Fagnano
Im Dunklen steuert uns Hannes über die gut ausgebaute Gebirgsstrasse. Der Bau der Straße wurde bereits 1976 von Pinochet begonnen und hat als Ziel ganz Chile in seiner Längsachse zu verbinden. Die letzten Kilometer dieses Projektes sind hier noch in Arbeit. Das stellen wir dann auch direkt am nächsten Morgen fest, als über die Brücke unter der wir parken, ununterbrochen Baustellenfahrzeuge rumpeln. Unser erster Tag war fischertechnisch nicht wirklich mit Erfolg gesegnet. Wir konnten einige Bisse verzeichnen, aber haben dabei leider auch den besten "Spinner" verloren. Warum das so schlimm ist, hab ich bis jetzt noch nicht ganz verstanden...
Um den Baustellenfahrzeugen zu entgehen und mehr Nähe zu diversen Angelspots zu haben entscheiden wir uns, 12km Richtung Caleta Maria zu fahren. Dort stehen wir direkt am Meer und weil dort die Straße endet, gibt es auch keine Baustellenfahrzeuge die stören.
Caleta Maria Tag 2 bricht an und wir starten mit einer Wanderung dem Meer entlang. Dort wollen wir unser Glück bei den Fischen versuchen. Hannes hat nach einem Tag schon einen sehr guten Blick dafür, welches Gebiet "fängig" ist und beim Rückweg von unserer Wanderung werden wir endlich belohnt.
Wie sehr wir uns über unseren Erfolg freuen, kann man hier sehen:

Während Hannes Matthias zeigt, wie man einen Fisch ausnimmt, haben wir sogar ein weiteres mal Glück und ich ziehe einen zweiten Fisch aus dem Wasser.
Wie man so einen Fisch ausnimmt, musste ich dann leider auch lernen. Aber das "systematische rausreissen von Organen" ist dann am Abend, als wir das Filet verzehren, schnell wieder vergessen.
Karaoke am Ende der Welt
Weil in Caleta Maria nur ein Haus (eine Estancia) steht und ein Fischer in einem Wohnwagen wohnt, sind wir direkt bekannt mit allen "Einheimischen" und werden am Abend zu einer Feier bei dem Fischer Juan, welchen alle nur Pechuga nennen, eingeladen.

Bei der Kälte nochmal rauszugehen war wirklich eine Überwindung, aber es hat sich mehr als gelohnt. Als wir dem Lagerfeuer näher kommen, sehen wir, dass einer der Herren in der Runde den Alleinunterhalter macht und Latinoschnulzen mit Karaoke Hintergrundmusik zum Besten gibt. Das Ganze wird von einem laut knatternden Generator mit Strom versorgt. Überrascht von der Szene in die wir hier hinein gestolpert sind, drückt uns Pechuga auch schon ein Glas Wein in die Hand. Mit Augenzwinkern betont er dabei, dass sein Wein aus Chile ist und bringt unsere argentinische Flasche Wein in seinen Wohnwagen. Diese will er ein andermal trinken, heute soll es nur Wein aus Chile geben. Immer mehr Leute trudeln bei der kleinen Feier ein. Ein Paar aus Chile, welches seit 5 Monaten in ihrem Wohnwagen wohnt und remote arbeitet. Eine Familie, welche in der Estancia Caleta Maria Urlaub macht, Benjamin der sozusagen der Haussitter der Estancia ist, ein weiteres Paar welches in einer Lodge arbeitet, die ca. 1 Stunde entfernt liegt, 2 Leiter der Straßenbaustelle und dann natürlich noch der Karaoke Sänger, welcher Leiter einer Königskrabben Fangstation ist. Irgendwie eine komische Truppe, aber trotzdem unterhalten sich alle angeregt und der Abend wird abgeschlossen damit, dass jeder erzählen muss, warum es sie/ihn hier in diese Einsamkeit verschlagen hat und was wir von unserer Zeit hier erwarten. Zufrieden und mit einem leichten Schwips gehen wir nach Hause.
Die nackte Wahrheit
Der dritte Tag bricht an und wir sind heute fest entschlossen, dass wir wieder einen Fisch fangen wollen. Mittlerweile wissen wir auch schon, dass wir mehr den Gezeiten entsprechend fischen gehen sollten und so brechen wir zur Mittagszeit mit der Flut auf Richtung Fluss. Dort angekommen, passiert beim 3. Wurf schon ein kleines "Unglück". Leider wird unser Köder so weit vom Wind getragen, dass er auf der anderen Uferseite landet und nach kurzer Beratung wird klar, dass einer durch den Fluss schwimmen muss, um den Köder zu befreien.
An die folgenden Bilder denke ich mit einem Schmunzeln gerne zurück. Mein ganzes Videomaterial, kann ich an dieser Stelle leider nicht mit euch teilen.
Hannes musste auf jeden Fall bei starkem Wind und etwas Regen, durch den Fluss schwimmen und nackt auf einem Felsen herumklettern, das ganze begleitet von Unmutsbekundungen. Hier ein Auszug der abenteuerlichen Befreiung:
Frisch gewaschen, wurden die Mühen allerdings 2 Stunden später belohnt und Hannes zieht eine Meeresforelle aus dem Fluss. Am Abend gibts Forellen Pasta, welche hervorragend schmeckt. Resümee ist - wer Fische essen will, muss alles geben, manchmal auch seine sein letztes Hemd.

In den Fjorden von Chile
Unseren 4. Tag erspare ich euch - niemand hat einen Fisch gefangen, was etwas frustrierend war, dafür konnten wir den Lago Fagnano etwas besser erkunden. Ich gehe daher gleich über zu unserem 5. und letzten Tag - unserem Ausflug mit Pechuga.

Um halb 8 morgens treffen wir uns zu unserer Überraschung pünktlich bei Pechuga. Neben uns ist auch die Familie mit dabei. Pechuga fährt uns mit seinem Dingi zu seinem Boot. Mit kommt auch einiges an Proviant. Das Boot ist schon recht alt und alles darin wirkt irgendwie zusammengewürfelt. Als hätte man Kinosessel als Sitzgelegenheit ins Boot geschraubt. In der Steuerkabine ist eine kleine Küche gebaut worden, alles zusammen strahlt irgendwie eine gemütliche Atmosphäre aus. Nach ein paar Minuten dahin tuckern fängt Pechuga an einen Brotteig anzumischen. Er will jetzt Frühstück für die Runde machen, erklärt er mir.
Das Brot hat uns so gut geschmeckt, dass wir es mittlerweile auch schon nachgebacken haben. Ein kurzes Video davon gibts aber ein anderes Mal.
Unser erstes Ziel ist eine Gruppe von Booten, welche für die 3 Sommermonate Dezember bis Februar nach Jakobsmuscheln tauchen. Das Wasser hat ca. 3°, dabei haben sie zwar Neoprenanzüge an, trotzdem meint Pechuga, dass er mit 17 bereits ein Jakobsmuscheltaucher war und dass die Zeit im Wasser eisigkalt ist. Bei einem der Boote halten wir an und bekommen die Gelegenheit die frischen "Ostiones" zu kaufen. Ein riesen Sack mit 200 Muscheln kostet umgerechnet nur 25€, da können wir natürlich nicht nein sagen. Unser Captain, welcher sehr bedacht ist, dass wir immer gut zu essen bekommen, kauft auch einen Sack und bereitet uns eine Pasta zu, bei dem die Nudeln und die Muscheln in einem 1:1 Verhältnis stehen. Wie ihr euch vorstellen könnt, waren wir sehr glücklich.
Nun geht es tiefer hinein in der Fjord. Wir wollen zu einem der Gletscher, welche in den See kalben. Dabei müssen wir unser Ziel mehrere Male ändern, weil zu viel Eis im Wasser treibt und Pechuga nicht schnell genug vorankommen würde. Als ich ihn beunruhigt frage, wie groß ein Eisbrocken sein darf, wenn wir ihn rammen, lacht er nur und sagt, dass das alles nur eine Frage des Tempos ist. Seine Gegenfrage: "¿Tienes miedo de morir? - Hast du Angst zu sterben?" lasse ich so im Raum stehen.
Nach einiger Zeit kommen wir dann aber endlich bei einem der Gletscher an und feierlich verkündet Pechuga, dass wir hier schwimmen gehen können. Eigentlich war ich in der Hoffnung, dass ich mich bei dieser Aktivität raushalten kann, aber sogar die ganze Familie geht ins Wasser und so ist der Gruppenzwang zu groß. Lange habe ich es aber trotzdem nicht ausgehalten:
Wir treten nun den Rückweg an, Pechuga will uns unterwegs noch einiges zeigen, darunter eine Höhle in der nach Gold gegraben wurde, aber am Ende doch nur Quarz zu finden war, außerdem noch eine Pinguinkolonie, Seeelefanten, Albatrosse sogar einem Seeleoparden sind wir begegnet.
Fotos von diesem Ausflug, aber auch den restlichen Tagen in Caleta Maria gibt es hier zu sehen:
Insgesamt waren wir dann 12 Stunden mit Pechuga unterwegs. Diesen Tag werden wir auf jeden Fall nicht so schnell vergessen. Wir entschliessen uns noch am selben Tag die Rückreise nach Ushuaia anzutreten. Matthias muss sein Flugzeug am 15.02. erwischen und jeder zurückgelegte Kilometer, der 7-stündigen Strecke ist ein guter Kilometer.
Am Rio Grande entschließen wir uns unser Nachtlager aufzuschlagen, dort nehmen Matthias und Hannes den Sack Muscheln in der Dämmerung aus. Nachdem aber jeder ca. 50 Stück gegessen hat, war uns allen ziemlich schlecht.

Insgesamt hatten wir eine richtig tolle Zeit in der Wildnis. Auf den Bildern sieht man zwar nicht, dass es meistens stürmt und einem ins Gesicht regnet. Dass man sich tagelang nicht richtig gewaschen hat und auch nicht, dass uns allen eigentlich immer zu kalt war. Die Erlebnisse in Feuerland und Patagonien sind zu tiefst beeindruckend, man muss sie sich aber auch irgendwie erkämpfen.
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