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Regentänze

  • Autorenbild: Anna Sibel
    Anna Sibel
  • 10. März 2023
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 12. Apr. 2023




Es gibt kein schlechtes Wetter es gibt nur schlechte…


Ach ich erspare euch die Besserwisserei. Vor allem darf ich mich ja in Sachen Ausrüstung gar nicht beklagen. Aber fangen wir am besten von Anfang an.


Hannes und ich bahnen uns gerade den Weg von Ushuaia hinauf nach Norden entlang der Panamericana. Dabei besuchen wir einige Orte, welche Matthias und ich bereits erkundet haben. Bei der Runterfahrt, das kann ich jetzt retrospektiv sagen, waren wir beide von den Wettergöttern nur so von Glück gesegnet. Meine zweiten Besuche in Perito Moreno, aber vor allem in El Chaltén waren dafür umso schlechter.

Meine letzte Wanderung am Fitz Roy Massiv war mit 16h recht ambitioniert und ich hatte mir fest vorgenommen, dass ich mit Hannes dieses knackige Programm nicht wiederholen möchte. Deshalb habe ich einen Plan für eine 3-tägige Wanderung erstellt. Zuerst soll es los gehen zum Camp D’Agostini, welches an der Laguna Torre liegt. Dort bauen wir unser Camp auf und können am nächsten Morgen den Sonnenaufgang betrachten, ohne die Menschenmassen, welche aus El Chaltén erst aufsteigen müssen. Weiter solls dann Richtung Camp Poincenot gehen, welches vor dem Fitz Roy liegt. Auf dem Weg dorthin möchte ich aber auf einen kleinen Gipfel, den Loma de las Pizarras aufsteigen und bei Sonnenschein eine Baderunde in einer der beiden Lagunas Madre e Hija einlegen. Am Camp Poincenot angekommen, können wir und wieder gemütlich einrichten und dann früh schlafen gehen, weil wir am nächsten morgen zur Laguna de los Tres aufbrechen wollen um den Sonnenaufgang zu sehen.

Abschließen möchte ich dann in Richtung Laguna Piedras Blancas und von dort aus Richtung El Chaltén gehen. Das würde bedeuten, dass wir einen richtig tollen Rundweg machen würden. Die letzten Kilometer auf der Schotterstraße müssten wir Autostoppen, um uns einen 20km Hatsch zu ersparen.

Hier wie es auf der Karte aussehen würde:

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Naja – soweit mein Plan. Den Montag mit strahlendem Sonnenschein, hatten wir leider schon vor längerer Zeit als Internettag eingeplant. Den haben wir auf jeden Fall am Campingplatz vertrödelt. Am Dienstag regnet es dann den ganzen Tag, wir wägen ab, ob wir überhaupt aufbrechen sollen. Als sich ein kleines „Es-regnet-und- die-Sonne-scheint-gleichzeitig-Fenster“ auftut, entschließen wir uns, dass wir es durchziehen wollen. Wir sitzen sonst ja schon genug in unserem Auto rum und wer weiß vielleicht haben wir am Ende doch ein bisschen Glück! Laut Wetterbericht, soll eigentlich jeder Tag eher schlecht werden, außer der Donnerstag mit Sonnenaufgang vor dem Fitz Roy. Da soll es keine Wolken geben und auch keinen Regen. Zuversichtlich schreiten wir in El Chaltén los, wohlwissend, dass wir ab jetzt auch kein Internet mehr haben werden um eventuelle Wetterumschwünge zu prüfen.

Tag 1 – Packesel

Zügig steigen wir den Weg Richtung Camp D’Agostini auf. Eigentlich wird für den Weg 3h veranschlagt, wir schaffen es in 2. Unsere Rucksäcke sind vollbepackt. Wir haben einiges an Essen dabei. Ich konnte Hannes leider nicht davon überzeugen, dass wir uns für die 2 Abendessen ja auch mal von Fertigsuppe ernähren könnten. So haben wir also Nudeln Tomatensoße, Linsen, Bohnen, Karotten, Zwiebeln, Brokkoli und auch Haferflocken und einiges an Nüssen dabei.

Die Rucksäcke sind schwer, aber wer gut essen will muss leiden. Im Camp angekommen bauen wir direkt unser Zelt auf.



Es ist ganz schön kalt und nachdem wir unseren Linseneintopf verspeißt haben, erfasst mich eine schwere Müdigkeit. Ich schlafe schon um halb 9 ein, in der Nacht wache ich jedoch immer wieder auf weil es so kalt ist. Hannes schläft überhaupt bis 1 in der Früh gar nicht, weil ers so ungemütlich findet. Es kristallisiert sich heraus, dass wir beide keine Zeltschläfer sind.

Tag 2 – Die Fantasie ankurbeln

Am nächsten Morgen hängt eine dicke Wolkenschicht über uns. Als ich aus dem Zelt krieche fallen mir Schneeflocken entgegen. Dann weiß ich jetzt auch warum mir so kalt war…

Wir machen unser Frühstück und dabei fällt uns auf, dass der Teil des Proviants, welchen wir im Vorzelt liegen hatten, ein Sack Nüsse und eine Packung Tomatensoße von einer Maus angefressen wurde. Die Tomatensoße hat sich jetzt über das halbe Rückensystem von Hannes Rucksack verteilt.

Hannes stapft mit resignierter Miene zum Fluss um seinen Rucksack zu waschen, ich mache das Camp Aufbruch bereit. Obwohl klar ist, dass wirs uns sparen können gehen wir vor zur Laguna Torre. Den Cerro Torre bekommen wir leider nicht zu Gesicht. Da müssen die Bilder von der David Lama Doku reichen, welche wir uns am Vorabend des Aufbruchs angesehen haben. David Lama musste 3 Jahre warten, bis er ein Wetterfenster erwischt hat, bei dem er sein Projekt, den Cerro Torre frei klettern, realisieren konnte – wer sind dann schon wir, dass wir einfach nach El Chaltén fahren und den Cerro Torre sehen wollen.

Bilder von dem Besuch von Matthias und mir und auch von dem von Hannes und mir will ich euch aber nicht vorenthalten:


Hannes nimmts nicht so schwer und wir gehen weiter. Langsam rückt nun auch die Entscheidung näher, ob es Sinn macht auf den Lomo de Pizarras zu gehen. Von dort aus würde man Fitz Roy und Cerro Torre rechts und links vor sich stehen sehen. Bei diesen dichten Wolken macht das aber keinen Sinn und auch ist im Gipfelbereich mit starken Winden zu rechnen, welche in dieser Hochebene zwischen den Bäumen nicht wirklich bemerkbar sind. Nach längerem Überlegen entscheiden wir, dass wir alleine schon aus sportlichem Ehrgeiz den Versuch wagen wollen und wenn uns die Wolken die Sicht versperren, dann haben wir uns wenigstens körperlich betätigt.

Wir verstecken also unsere Rucksäcke und machen uns auf den Weg Richtung Gipfel. So richtig Lust hat keiner von uns die 1.000hm, welche vor uns liegen, zu bewältigen. Auf halber Strecke peitscht uns dann plötzlich so ein Wind entgegen, dass damit dann auch jede letzte Ambition aus uns weggefegt ist. Wir machen also noch ein zwei Fotos und drehen dann um. Die Sicht von oben war trotzdem schön, von hier aus konnte man bis nach hinten über den Lago Viedma blicken. Dort scheint die Sonne – wie schön das wohl wäre.

Der Weg Runter durch den Schotter macht wenigstens Spaß:


Unten bei unseren Rucksäcken angekommen, geht es also wie geplant weiter Richtung Camp Poincenot. Sowohl die Laguna Madre (Mutter) als auch Hija (Tochter) betrachten wir nur im vorbeigehen, in der Zwischenzeit hat es begonnen zu nieseln. Die Idee dort mit Hannes schwimmen zu gehen, welche an dem sonnigen Tag mit Matthias entstanden war, scheint jetzt mehr als absurd.

Kurz vor dem Camp blicke ich immer wieder Richtung Fitz Roy – auch dieser hängt in den Wolken. Ich hoffe, dass Hannes es nicht wissen will, aber irgendwann kommt dann doch die Frage. Würde man von hier aus dann den Fitz Roy sehen? Bedauernd antworte ich mit ja – dort würde er stehen.


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Der Nieselregen wird jetzt begleitet von starken Windböen, immer mehr tut sich die Frage auf warum man sich das eigentlich antut. Eingespielt bauen wir das Zelt auf – in weniger als 15 Minuten steht unser kleines Haus da wie eine eins. Wir kochen uns Tee und Nudeln. Mit vollem Magen kuscheln wir uns in unsere Schlafsäcke, draußen ist es sehr ungemütlich, wir verwenden unser restliches Gas um unsere Hände aufzuwärmen. Hannes ist gedanklich schon bei den Bergsteigern die kalte Nächte im Schnee am Fuße von irgendwelchen Berggipfeln ausharren – beim Fotografieren kommt der Schauspieler in ihm durch.



Highlight des Abends ist definitiv der Caracara, der uns nicht im Zelt sitzen sieht und auf der Suche nach Essen viel näher an uns vorbei geht als es üblich wäre:



Tag 3 – Aufhören wenns an schönsten ist

1 Uhr nachts – Hannes steckt seinen Kopf aus dem Zelt und verkündet, dass man die Sterne sieht. Es scheint so als würde sich der Wetterbericht bewahrheiten und wir können wie geplant zum Sonnenaufgang aufsteigen.


3 Uhr nachts – Ich wache auf, weil meine Isomatte viel weniger Luft drin hat, wie noch vor ein zwei Stunden. Bei näherer Untersuchung merke ich, dass die Matte ein Loch hat und dort unausweichlich die ganze Luft austritt. Ich überlege noch, ob ich das Loch direkt mit dem Flickzeug richten soll und entscheide mich dummer Weise dagegen. Ich berichte Hannes von meinem Pech, der rutscht so gut es geht zur Seite und wir quetschen uns zu zweit auf die Matte. Wie unbequem – ständig wachen wir beide auf, irgendwann liege ich so halb auf meinem Rucksack. Ich wundere mich woher dieser latente Geruch nach Tomatensugo kommt – erst in der Früh fällt mir auf, dass Hannes seinen Tomatenrucksack auch als Kissen verwendet.


6 Uhr morgens – der Wecker klingelt. Zeit um zur Laguna de los Tres aufzusteigen. Draußen tobt ein Sturm, man hört es regnen. Trotzdem tanzen die Lichter der Stirnlampen anderer Fitz Roy Ethusiasten auf unserer Zeltwand. Ich schaue aus dem Zelt und sage zu Hannes, dass wir bei diesem Wetter definitiv kein Sonnenaufgangserlebnis verpassen. Wir dösen nochmal ein bisschen vor uns hin.

8 Uhr morgens – Es regnet, aber nicht nur ein bisschen, sondern so richtig. Es ist klar, dass es eigentlich nur eine richtige Entscheidung gibt. Zusammenpacken und Heim gehen. Natürlich ist es traurig, dass Hannes nach 3 Tagen im Parque Nacional de los Glaciares keinen der berühmten Gipfel sehen konnte, aber man kann in den Bergen leider nichts erzwingen. Wir nehmen es als Lektion, ein bisschen Lebenserfahrung mehr.


Optimismus bei Wetterberichten, wenn es ums Wandern und Bergsteigen geht ist vieles, aber auf jeden Fall nicht zielführend, vielleicht sogar "a bissl deppat".


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Schnell packen wir unser Zeug zusammen und machen uns auf den Abstieg ins Tal. Innerhalb von 5 Minuten sind wir bis auf die Unterhose nass, die Jacken von uns halten aber dicht. Wir gehen so vor uns hin und ich verfalle so langsam dem Selbstmitleid, da kommt uns jemand entgegen. Entgeistert wollen wir wissen was er hier macht, er grinst uns an und sagt er möchte zum Fitz Roy ob wir wissen wo die Lagune ist. Ich frage ihn, welche Lagune genau er meint. Zu der Fitz Roy Lagune hat er noch 2 Stunden und der Fitz Roy wird sich bestimmt nicht darin spiegeln.

Von unseren Aussagen demotivieren denn guten Herren dermaßen, dass er sich auch entscheidet abzubrechen und mit uns gemeinsam umkehrt. Zuerst tut es mir Leid, dass wir ihn mit unserer Stimmung runter gezogen haben, aber oft ist der Grad zwischen Realismus uns Schwarzmaler scheinbar sehr schmal. Am Weg nach unten kommen uns immer mehr Leute entgegen. Wir beide gehen in neuem Rekorttempo Richtung El Chaltén und uns steigen nun Scharen von Wahnsinnigen entgegen. Immer wieder werden wir gefragt, ob wir den Fitz Roy gesehen haben. Ehrlich beantworten wir die Fragen, davon lassen sie sich aber nicht beirren. Bewaffnet mit Regenponcho und abgebrochenen Ästen als Gehstock gehen sie festentschlossen weiter. Welche Nationalität die Leute haben, überlasse ich jetzt mal den Vorurteilen des jeweiligen Lesers.


Hannes entdeckt am Weg runter eine Abkürzung – schmerzlich müssen wir 10 Minuten später festellen, dass wir dadurch aber unsere Abzweigung ins Tal verpasst haben und quasi dabei sind im Kreis zu gehen. Zugegebener Maßen ein Stimmungskiller, aber sonst hätten wir auch den Mirador Fitz Roy verpasst…

Unterwegs treffen wir auch noch eine Gruppe Trailrunner – Hannes ist ab jetzt fest entschlossen, dass Trekking mit Zelt nichts für ihn ist. In Zukunft will er bei so einem Wetter nur noch Trailrunnen. Gut, dass wir erst mal nicht mehr Wandern am Programm haben, ich bin hingegen schon beim French Toast von dem Café in das wir gehen werden.


Unser beider Resümee am Ende war, während der gesamten Aktivität war zwar völlig klar, dass wir jederzeit gerne irgendwo anders wären und etwas anderen machen wollen, aber trotzdem war dieses Erlebnis auch irgendwie Entbehrungen wert. Als wir El Chaltén hinter uns lassen, sind wir aber trotzdem froh, dass es erstmal nicht mehr regnet, sondern uns "nur" ein Sandsturm entgegen schlägt.

Hoffnungsvoll steuert Hannes das Auto auf der holprigen Straße in Richtung Carretera Austral. Hoffentlich ist dort besseres Wetter.


Hier noch mehr Bilder von unseren Tagen in El Chaltén:


Und hier Bilder wo man auch wirklich was von den Bergen sieht - also von den Tagen von Matthias und mir:


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